23 March 2023

Und der Herrliberger Oscar geht an ...

Andrea Jungen wurde vergangene Woche im Gasthaus Wirtschaft zur Kittenmühle für ihre Nächstenliebe und ihren Einsatz für die ukrainischen Flüchtlinge geehrt. Herrliberg zeichnet jedes Jahr eine herausragende Persönlichkeit aus.


Küsnachter vom 23. März 2023

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Autorin: Monika Abdel Meseh / Bild: ZVG

Fast zeitgleich mit der Oscar­Verleihung in Los Angeles veranstaltet auch dieses Jahr der Verein Gelb­Schwarz Herrliberg seine ganz eigene Preisverleihung. Er­neut wurde nämlich der Herrliberger des Jahres ernannt, nur ist es diesmal eine Herrlibergerin geworden. «Die Ge­winnerin für 2022 ist Andrea Jungen», verkündet Rolf Jenny, Präsident des Ver­eins nach einer kurzen Begrüssungs­runde. Es bedarf laut ihm auch keiner langen Rede, hier würden sich sowieso schon alle kennen.

Das lässt sich auch nicht bestreiten, denn die Gäste, die im Restaurant Platz genommen haben, unterhalten sich ganz entspannt miteinander. Obwohl keiner der Anwesenden über die streng­geheime Entscheidung der Jury vor der Verkündung des Gewinners Bescheid ge­wusst hat, liegt keine Spannung in der Luft. Dies mindert aber nicht die Beliebt­heit der Preisverleihung. «Wir sind eigentlich Stammgäste hier im Restau­rant und sind deshalb eingeladen wor­den. Dieses Jahr sind wir zum ersten Mal dabei und haben uns sehr gefreut über die Einladung», erklärt einer der Gäste, der mit seiner ganzen Freundesgruppe anwesend war.

«Lachendes Herrliberger Gesicht»

Nach der Verkündung der Gewinnerin nimmt Gemeindepräsident Gaudenz Schwitter (FDP) Platz am Pult. Seine Lau­datio beginnt erst mal mit einem herz­lichen Dankeschön an Andrea Jungen. Durch ihre Hilfe und Koordination habe Herrliberg im vergangenen Jahr 65 Flüchtlinge aus der Ukraine aufneh­men können. «Wie eine Sprintläuferin hat sie durch ihre gute Vernetzung im Dorf alle Freiwilligen schnell koordi­niert und es geschafft, dass sich Men­schen für andere Menschen begeistern», erzählt er.

Ausserdem streicht der Gemeinde­präsident ihren empathischen Charak­ter und ihre Problemlösungskompetenz hervor. «Die Kraft einer Kugelstosserin hat sie gebraucht, als es darum ging, Wohnungen für die Geflüchteten zu fin­den und diese einzurichten», sagt Schwitter in seiner Rede weiter, die bis zum Schluss von einer Sportmetapher nach der andern durchzogen ist. Man er­fährt, dass Andrea Jungen im Laufe des letzten Jahres Gelder gesammelt, Woh­nungen gesucht, Umzüge geordnet und sich auch in Schulen für die Flüchtlinge eingesetzt hat. «Da bleibt nichts anderes zu sagen als Danke schön, Andrea, dass du das lächelnde, offene Gesicht von Herrliberg bist, das die Ankommenden empfängt», beendet Gaudenz Schwitter seine Rede.

Es gab eine Verleihungspanne

Sichtlich gerührt von dieser Ansprache steht Andrea Jungen auf, um ihren Preis entgegenzunehmen. Begleitet vom Ap­plaus der Anwesenden, überreicht Rolf Jenny der Gewinnerin erst mal die Ur­kunde. Doch wie es auch bei einer Oscar­ Verleihung der Fall sein kann, passiert eine Panne: Dem Vereinspräsidenten fällt der Preis, eine kleine Schachtel mit einem Gutschein, auf den Boden. Für einen kurzen Moment schauen die Gäste betroffen zu, wie er sie aufhebt.

«Sie ist nicht kaputt, nur auseinander­gefallen», sagt Rolf Jenny erleichtert. Das macht der Herrlibergerin des Jahres mit dem Sportsgeist nichts aus. «Auch kaputt würde ich den Preis noch annehmen», lacht sie. Den grossen Blumenstrauss überreicht aber dann doch lieber der Wirt und seine Tochter, damit dem Topf nichts passiert.

Aufruf zur Freiwilligenarbeit

Nach diesem kleinen Missgeschick bei der Preisübergabe ist die Atmosphäre im Restaurant noch entspannter. Die Unter­haltungen der Gäste werden nur durch die Rede der Gewinnerin selbst angehal­ten. Auch sie bedankt sich für den Preis und fühlt sich sehr geehrt. «Aber allein hätte ich das niemals schaffen können», betont Andrea Jungen. Sie hätte noch sechs andere Koordinatoren gehabt und weitere 40 bis 50 freiwillige Helfer. Zu­dem habe diese Arbeit viele positive Aus­wirkungen auf ihr Leben gehabt. «Ich habe so viele neue Menschen kennen ge­lernt und werde auch im Supermarkt oder auf der Strasse angesprochen. Da­durch habe ich mich viel angeschlosse­ner an die Gemeinschaft gefühlt», erklärt sie lächelnd. Die Helfergruppe hat sich zudem ein Feierabendtreffen jeden vier­ten Freitag im Monat eingerichtet.

Auch die Kirche konnte bei der Betreu­ung der Flüchtlinge mithelfen und hat zwei Familien aufgenommen. «Es gilt nun diese Arbeit zu erhalten, dafür brau­chen wir natürlich immer wieder Freiwil­lige, die uns helfen wollen. Wir brauchen nicht nur Sachspenden, sondern richtige Bezugspersonen für die Menschen», ap­pellierte die Gewinnerin und beendet mit dieser Einladung zum Helfen ihre kurze Rede. Darüber nachdenken konnten die Anwesenden dann bei einem köstlichen Drei­Gänge­Menü, Wein und guter Unter­haltung mit den Tischnachbarn.